Ungenutzte Abwärme nutzen und davon profitieren
Bei industriellen Prozessen entsteht Wärme. Ein großer Teil der Abwärme geht jedoch verloren – auch, weil die Nutzung bei Vielen als aufwendig und unwirtschaftlich gilt. Das ändert sich gerade. Höchste Zeit für ein Umdenken und für intelligente Konzepte, wie das Beispiel der Robert Bosch Fahrzeugelektrik Eisenach GmbH beweist.
„Die Nutzung industrieller Abwärme birgt herausragende Energieeffizienzpotenziale für Unternehmen in Deutschland”, hat die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) analysiert. „Kleinen und mittleren Unternehmen fällt es mitunter schwer, diese Potenziale zu identifizieren und zu erschließen”, erklärt Johannes Oltmanns, Projektentwickler Energieeffizienz bei Bosch Energy and Building Solutions. „Wärmepumpen sind eine äußerst effiziente Technologie zur Bereitstellung von Wärme und Kälte, insbesondere wenn beide am selben Ort und zur selben Zeit benötigt werden.” Denn mit Wärmepumpen lässt sich Abwärme im Niedrigtemperaturbereich in Nutzwärme zum Heizen von Räumen oder für die Warmwassererzeugung wandeln. Gleichzeitig fungiert die Wärmepumpe als Kältemaschine zur Bereitstellung von Prozess- und Klimakälte. „Damit stellt eine Wärmepumpe zwei unterschiedliche, wertvolle Energieströme bereit und verdoppelt damit nahezu ihren Wirkungsgrad”, hebt Johannes Oltmanns hervor.
Voraussetzung, um Abwärmequellen aufzuspüren, ist eine systematische Untersuchung: Dabei geht es um die Analyse der Prozesse und Energieverbräuche im Unternehmen und die Anpassung der Temperaturniveaus. Eine große Herausforderung ist der Umgang mit Anlagen mit einer hohen Vorlauftemperatur. Um die Netztemperatur abzusenken, wird eine auf das Gebäude ausgerichtete Strategie angewendet, um die Vorlauftemperatur von beispielsweise 90 °C oder 110 °C auf eine Zieltemperatur von 60 °C abzusenken. „Es ist ganz wichtig, die Temperaturniveaus zu reduzieren, denn erst dann habe ich die Möglichkeit, alternative Energiequellen – zum Beispiel Abwärme – zu nutzen", erklärt Johannes Oltmanns. „Bei der Gebäudetechnik finden wir eigentlich immer Punkte, über die relativ schnell viel Effizienz erzielt werden kann“, sagt Johannes Oltmanns. Sein Team analysiert die Daten aus der Gebäudeleittechnik, untersucht die Steuerung Erzeuger und Verbraucher und zieht alle vorhandenen Informationen zur Energieversorgung heran. Aus der Analyse leitet es ein technisch innovatives Gesamtkonzept ab, das darauf abzielt, dass die Abwärme optimal genutzt wird – und zwar gekoppelt für die Wärme- und Kälteversorgung.
Johannes Oltmanns
Über unseren Experten
Johannes Oltmanns ist Projektentwickler Energieeffizienz bei Bosch Energy and Building Solutions. Er gehört zu den versiertesten Experten im Bereich Energieeffizienz. Im Zuge seiner Doktorarbeit „Analyse und Verbesserung eines bestehenden Energiesystems an einem Universitätscampus” wurde er mit dem Darmstädter Energiepreis 2021 ausgezeichnet, der jährlich vom Beirat des TU Darmstadt Energy Centers e.V. zu dem multidisziplinären Thema Energie vergeben wird. Zu seinem Fachbereich bei Bosch gehören die Entwicklung und Implementierung von CO₂-neutralen Energiekonzepten für Industriebetriebe.
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Bosch-Werk Eisenach: Update für Energiequellen und die Netzinfrastruktur
Ein Leuchtturmprojekt, wie ein bestehender Industriestandort, der viel Abwärme produziert und nahezu CO₂-neutral werden kann, ist die Robert Bosch Fahrzeugelektrik Eisenach GmbH. In dem Werk werden Sensoren und Getriebesteuerungen hergestellt, der Kälte- und Wärmebedarf ist das gesamte Jahr hindurch hoch. Insgesamt besteht ein Bedarf von sechs bis acht Gigawattstunden Wärmeenergie pro Jahr, die perspektivisch CO₂-neutral produziert werden sollen. Das Team um Johannes Oltmanns unterstützte die Maßnahmen vor Ort.
In Bestandsanlagen sind Wärmepumpen meist die Lösung
In Eisenach wird bereits CO₂-neutral Strom eingekauft und selbst produziert, die Wärmeversorgung ist durch den Einsatz der Wärmepumpen auf dem besten Weg der CO₂-Neutralität. Mit ihnen lässt sich die gekoppelte Erzeugung von Wärme und Kälte realisieren. „Neue Gebäude sind in der Lage, mit 35 oder 40 °C Vorlauftemperatur auszukommen. Bei Bestandsgebäuden ist das meist nicht der Fall, sie brauchen höhere Temperaturen. Deshalb arbeiten wir hier mit einer Wärmepumpe”, erklärt Johannes Oltmanns.
Bei der Suche nach Lösungen beschäftigen sich Oltmanns und sein Team mit den weniger populären Orten, die es in jedem Unternehmen gibt. „Wir sind auf Gebäudetechnik spezialisiert. Da sieht selten jemand hin”, sagt Johannes Oltmanns. Seit einigen Jahren steigt aber der Druck auf Unternehmen, Potenziale für CO₂-Neutralität zu erschließen. Hinzu kommen die steigenden Energiepreise. „Die Unternehmen haben ihre Experten, die ihre Produktionsanlagen genau kennen, die Energiebedarfe in der Infrastruktur werden oft weniger intensiv verfolgt. Wir zeigen den Verantwortlichen vor Ort auf, welche Hebel sie haben, ihren Energiebedarf zu verringern, zum Beispiel durch die Nachrüstung von Wärmerückgewinnung an alten Lüftungsanlagen, damit nicht mehr warme Luft ins Freie geblasen wird, sagt Johannes Oltmanns. „Überzeugt sind die Kunden spätestens, wenn wir den Business Case präsentieren.” Die Entscheider haben dann Schwarz auf Weiß, nach welchem Zeitraum sich die Investitionen mit Blick auf die Energiepreise lohnen, wie viel CO₂ und wie viel Erdgas gespart werden können.
In Eisenach wird der Erdgasverbrauch pro Jahr von vormals zehn Gigawattstunden auf eine Gigawattstunde reduziert. Bei der Wärmeversorgung kommt Eisenach auf minus 90 Prozent des Gasbedarfs und damit auch minus 90 Prozent an CO₂ Emissionen. Durch all diese Maßnahmen kann die Robert Bosch Fahrzeugelektrik Eisenach GmbH pro Jahr etwa 2 000 Tonnen CO₂ vermeiden.
Wärmepumpen überall dort, wo Wärme und Kälte im Einsatz sind
Eisenach lässt sich auch auf Unternehmen aller Größen übertragen, in denen gleichzeitig Wärme- und Kältebedarfe in nennenswertem Umfang anfallen. Das sind Industrie- und Pharmaunternehmen genauso wie Automobilzulieferer, aber auch große Bürogebäude oder Rechenzentren. „Wir sehen überall dort Möglichkeiten, wo gleichzeitig Energie für Wärme und Kälte gebraucht wird", erklärt Johannes Oltmanns. Vereinfacht erklärt wird die Abwärme über das Kältenetz entzogen und mit CO₂-neutralem Strom betriebene Wärmepumpen heben das Temperaturniveau an. Die Wärme kommt ins Wärmenetz, in dem das Temperaturniveau idealerweise auf 60/35 Grad gesenkt wurde. Dadurch wird eine effizientere Nutzung auf beiden Seiten erzielt, weil aufgrund des hohen Wirkungsgrads der Wärmpumpe wenig elektrische Energie eingesetzt werden muss.
Wenn die Wärmeversorgung über den Einsatz von fossilen Energien läuft, spielen Temperaturniveaus kaum eine Rolle, denn ein Gaskessel kommt mit einer Vorlauftemperatur von 100 °C oder 110 °C gut zurecht, eine Wärmepumpe nicht. „Wir wissen, wie wir die Temperaturen in den Netzen senken können, um die Versorgung effizient mit einer CO₂ neutralen Anlage realisieren können", führt Johannes Oltmanns aus. In der Analyse identifizieren die Experten von Bosch Energy and Building Solutions, wo die Stellschrauben für Temperaturanpassungen und die Umstellung der Energieversorgung liegen. „Das kann eine veraltete Lüftungsanlage sein, die wir umbauen, das kann eine Drucklufterzeugung sein, die noch nicht mit Abwärmenutzung ausgestattet ist. Wir untersuchen, wie sich die Abwärmenutzung oder die Verbindung von Wärme- und Kälteversorgung über eine Wärmepumpe realisieren lassen. Da können auch Details wie die Temperaturoptimierung der Kühlung einer Spritzgussanlage eine Rolle spielen.”
Der Umbau der Energieversorgung braucht Zeit
Aktuell ist die Nachfrage sehr groß, sich zu verändern und die Energieversorgung umzubauen. Die Unternehmen sehen die Notwendigkeit – und das Potenzial. „Wir können diese komplexen Projekte planen, koordinieren und erfolgreich hinstellen. Dafür braucht es viel Expertise”, sagt Johannes Oltmanns. Anhand eines Maßnahmenkatalogs sieht der Kunde, welche Veränderungen kurz-, mittel- und langfristig sinnvoll wären.
Machen Sie den Kurzcheck!
Wenn Sie diese drei Punkte mit Ja beantworten können, dürfte eine Wärmepumpe Sinn machen:
- In Ihrem Unternehmen bestehen gleichzeitige Bedarfe für Wärme und Kalt- oder Kühlwasser
- Das Temperaturniveaus liegt unter 100 °C Vorlauftemperatur im Wärmenetz.
- Der jährliche Wärmebedarf liegt bei >1.000 MWh.
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